von Christian Vagedes
Zu behaupten, dass jene, die Tiere lieben, doch bitteschön auch Tiere essen sollten, ist ähnlich zynisch wie die Ausrede von Pädophilien, sie liebten Kinder. Das einmal ganz grundsätzlich vorab. Doch beantworten wir die neue Ausrede für die Massentierqual im folgenden auch detaillierter zugeschnitten auf die Verursacherin.
Es gäbe in einer Welt mit lauter Veganern keine Tiere mehr, behauptet Frau Berndt in der Süddeutschen Zeitung (Christina Berndt: »Wer Tiere liebt, sollte sie essen«, 23.04.2022). Doch dazu muss man wissen und entgegnen: Die Milliarden gequälter Tiere gibt es doch nur deshalb, weil Menschen sie zuvor künstlich gezüchtet haben. Von Natur aus gäbe und gibt es diese gequälten und überzüchteten Tiere ja gar nicht. Schon gar nicht in der Quantität.
Die allermeisten der gequälten Tiere sind in Wirklichkeit vor den Menschen verborgen und gefangen in tausenden dunklen Höllen. Auch im Allgäu stehen die meisten Rinder gar nicht auf der Weide, sondern in Ställen. Statt einer alltäglichen Hölle auf Erden für die Tiere wäre die vegane Welt eine andere: ärmer an unglücklichen Tieren und zugleich reicher an Natürlichkeit und Empathie.
Nur eine vegane Welt ist auch deutlich gerechter: Denn für eine einzige Kalorie an Fleisch und anderem Tierprotein werden heute mehr als zehn pflanzliche Proteine unnötig verschwendet. Und das auf Kosten vieler Menschen, die deshalb Hunger leiden. Wie zynisch ist alleine dahingehend das Schein-Argument, dass die Welt »trauriger« werden würde, wenn es die Milliarden unnatürlichen Schlachttiere nicht mehr gäbe? Da irrt Frau Berndt gewaltig. Das Gegenteil ist richtig und ihre Argumentation ist traurig, weil sie eine zynische Ausredenvariante stiftet. Eine weitere Ausrede für Menschen, die nicht über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen wollen.
Die Behauptung, dass es in einer veganen Welt dann gar keine der bisherigen »Nutztiere« mehr geben würde, ist sogar schnell widerlegt. Denn man kann Tiere auch halten, ohne dass man sie tötet. Das hat man schon bei den alten Germanen gesehen. Einige ihrer Stämme hielten auch einige der heute bekannten »Nutztiere«, töteten und aßen diese aber nicht. Paläontologen der FU Berlin konnten das nachweisen.
Die Geburten der Tiere in einer veganen Welt, könnten wir zukünftig genauso vernünftig regulieren wie heute schon üblicherweise bei Katzen und Hunden.
Als Veganer bin ich, anders als Frau Berndt behauptet, ganz bestimmt kein Feind dieser Milliarden unglücklichen Tiere, sondern ihr Freund. Kein Tier, das darüber frei entscheiden könnte, würde sich wohl freiwillig für eine der schrecklichen Tierhaltungshöllen entscheiden. Die unnatürlichen Qualzuchten sind, wie bei Schweinen, so grausam, dass Tiere ab einem bestimmte Zeitpunkt ihrer Mästung, das eigene Gewicht nicht mehr tragen können – und zusammenbrechen. Und Frau Berndt betrauert allen Ernstes, dass es ihr persönliches Glück hemmen würde, wenn solche leidenden und verzüchteten Tiere nicht mehr geboren werden?
Nur um ein Beispiel unter vielen zu benennen: Millionen Schafe in Australien, eine Generation nach der nächsten, werden regelmäßig brutal mit blutigen Fleischwunden für Wolle geschoren, um dann von dort auf Schiffen nach Arabien transportiert zu werden, wo sie halb verhungert und verdurstet geschächtet werden – übrigens jenseits aller »Tierschutz«vorstellungen selbst der hartherzigsten deutschen Veterinäre. Keine Minute eines solches Tierlebens kann man wirklich als glücklich bezeichnen, außer man ist Zyniker.
Frau Berndt versucht offenbar, das milliardenfache Leiden und Töten von Tieren durch Menschen allein damit weiter zu rechtfertigen, dass es die gequälten Tiere dann überhaupt nicht mehr gäbe. Doch das ist ja – wie schon gesagt – Unsinn. Aber wie könnten bisherige Nutztiere, wenn auch nicht sämtliche der Qualzuchten, in einer veganer werdenden Welt leben?
Schafe könnten, geburtenreguliert, auch weiter Dämme an der Nordsee abgrasen, Rinder zur Aufrechterhaltung gräsener Kulturlandschaften und für Dünger gehalten werden, Schweine zum Unterbringen von Saatgut eingesetzt werden. Nicht alle Veganerinnen und Veganer werden solchen Ideen zustimmen. Doch im Kern hat Frau Berndts Hinweis, man könne nicht einfach alle Tiere abschaffen, ja durchaus auch eine Berechtigung. Ein weiser Mann hat einmal gesagt, wir hätten die Tiere in Jahrhunderten hinabgestoßen und müssten sie jetzt wieder hinaufziehen.
Ich plädiere deshalb seit Jahren für noch etwas. Wir Menschen könnten und sollten endlich gemeinsam lernen, Tiere zu halten, die uns selbst keinen direkten materiellen Nutzen bringen. Sie sogar einfach nur aus dem Grunde halten, die Frau Berndt anspricht: Weil sie Menschen glücklich machen. Dafür aber muss und darf man ihnen nicht die Hölle auf Erden bereiten und muss Tiere schon gar nicht essen. Aber man kann und sollte das Glück der Tiere mit einbeziehen.
Frau Berndt und andere Noch-Nicht-Veganerinnen könnten sich ein Beispiel an Veganerinnen und und Veganern nehmen, die bereits heute Tiere vor der Schlachtung gerettet haben und mit Herz, Geld und tatkräftigem Engagement dafür sorgen, dass diese Tiere endlich glücklicher leben können. Das übrigens macht auch zunehmend Menschen selbst ein bisschen glücklicher, die unter dem Leid von Milliarden Tieren stark leiden. Eine solche vegane Welt aufzubauen mehrt das Glück der Tiere und der Menschen – und veredelt unsere Kultur. Übrigens habe ich das Thema als Vorsitzender der Veganen Gesellschaft vor Jahren mit Martin von Mackensen, dem Ausbilder von Demeter, einem der größten Bio-Anbauverbände, diskutiert, der mir schließlich zustimmte, dass eine Tierhaltung ohne Tötung sinnvoll, möglich und sehr zeitgemäß wäre.